Historie des Gutshauses – aus: Deutsches Adelsblatt vom 15. Oktober 2008
Rittergut Neuendorf auf der Halbinsel Gnitz (Insel Usedom) in Vorpommern Stammsitz der Familie v. Lepel Über 700 Jahre – von ca. 1240-1945 – war auf Usedom die Halbinsel Gnitz, südlich von Zinnowitz, im Lepelschen Familienbesitz. Die Lepels kamen aus dem Mecklenburgischen. Sie ließen sich Mitte des 13. Jahrhunderts auf dem vorpommerschen Festland im Raum Lassan bei Ankam und auf der Insel Usedom nieder. Die ersten Gnitzer Lepels waren nach der familiengeschichtlichen Überlieferung zwei Brüder: die Ritter Gerhard und Dietrich, die um das Jahr 1240 Lehnbesitz erwarben. Lehnsherren dürften die pommerschen Herzöge gewesen sein. Denn Gerhard “von der Insel Usedom“ wird 1251 beim Pommerschen Herzog in Wolgast als Urkundenzeuge erwähnt. Noch 1945 befanden sich auf dem Neuendorfer Gutsgelände zwei etwa 700 Jahre alte Eichen, die angeblich von den beiden ersten Lepels angepflanzt worden waren. In der Familie hatten die Bäume die Namen “Gerhard“ und “Dietrich“.
Ursprünglich gab es auf der Halbinsel nur die Lepelschen Güter Netzelkow und Lütow. Netzelkow war der Hauptort. Von dort aus wurden auch Lütow und die vorgelagerte Insel Görmitz bewirtschaftet. In der Netzelkower Patronatskirche St. Marien steht ein sehenswerter Taufstein mit einer zwölfeckig behauenen Schale auf rundem Fuß aus der frühen Lepel-Zeit. Er ist einer der ältesten, vollständig erhaltenen auf Usedom. Der selben Zeit sind auch die beiden Glocken vom Glockenstuhl auf dem Kirchhof zuzuordnen. Eine der beiden zeigt das Lepelsche Wappen in der ältesten uns bekanntesten Form mit fünf Löffeln (Lepel = plattdeutsch Löffel) als Helmzier. Erst später trägt das Wappen neun Löffel. Die Kirche selbst ist erst im 14. Jahrhundert anstelle eines Vorgängerbaus errichtet worden.
Im 14. Jahrhundert zeigte sich recht bald, dass Netzelkow für die Lepels als Rittersitz zu klein wurde. Schon 1367 ist die Rede von einem “neuen Dorf“ auf dem Gnitz, dem späteren Neuendorf. Die dortigen Lepel-Besitzer waren dann allerdings vierhundert Jahre lang nicht die gleichen wie die von Netzelkow. Erst im 18. Jahrhundert kamen die Gnitzer Güter in die Hand eines einzigen Angehörigen der Familie. Von dieser Zeit an gehörten alle Lepelschen Acker- und Weideflächen wirtschaftlich zu Neuendorf. So blieb es bis 1945. Trotzdem waren, rechtlich gesehen, Neuendorf und Netzelkow noch im 19. Jahrhundert eigenständige Güter. In den Güteradressbüchern wurden sie getrennt ausgewiesen, wobei für Netzelkow die Wirtschaftsfläche mit 551 ha, die für Neuendorf mit 819 ha angegeben wurde. Hinzu kam Privatforst in der Größe von 353,7 ha. Die eine Hälfte der Forstfläche lag nördlich, die andere Hälfte in größeren und kleineren Parzellen südwestlich von Neuendorf.
In der Netzelkower Kirche befindet sich an der Wand rechts vom Eingang eine etwa zwanzig cm hohe Eichenholztafel. Auf ihr sind sämtliche Besitzer des Gnitzes bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgeführt. Der letzte unter den 21 Lepel-Namen ist der von Bruno v. Lepel (1843 -1908). Er war von 1873-1887 Kgl. Preuß. Kur-und Badekommissar von Bad Ems a. d. Lahn, danach Intendant der Kgl. Schauspiele in Hannover, unter den Besitzern des Gnitzes im 19. Jahrhundert die profilierteste Persönlichkeit. Spätere Besitzer sind auf der Holztafel nicht nachgetragen worden.
Jürgen Heinrich (1884-1964), Sohn und Erbe des 1908 verstorbenen Bruno, verpachtete im Jahr 1910 die Gnitzer Güter an einen Lepel-Vetter aus einem anderen Familienzweig und verkaufte sie an ihn zwei Jahre später. Der Erwerber war Emil Frhr. v. Lepel (1872-1941), der im hessischen Hattenbach bei Hersfeld aufgewachsen war. Dessen Sohn Franz-Karl (1905-1954), Vater des Verfassers dieser Zeilen, war letzter Besitzer vor 1945. Er war ein kenntnisreicher Landwirt mit großen organisatorischen Fähigkeiten. Das Gut hatte er Mitte der dreißiger Jahre – noch zu Lebzeiten seines Vaters – übernommen. Er verstand es, dem damals hoch verschuldeten landwirtschaftlichen Betrieb durch Verlagerung der wirtschaftlichen Schwerpunkte – weitere Reduzierung der nicht sehr gewinnträchtigen Ackerwirtschaft zugunsten von Viehzucht und Pflanzenanbau (Errichtung moderner Gewächshäuser)- zu größeren Erträgen zu verhelfen. Seine persönliche Tragik war es, dass er wegen des Kriegsausbruchs und der dann folgenden Vertreibung die Früchte seiner Anstrengungen nicht mehr ernten konnte.
Zur Geschichte des auf dem Titelblatt abgebildeten Gutshauses ist folgendes zu sagen: Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten die Neuendorfer Grundbesitzer in einem heute denkmalgeschützten Gebäude, dem so genannten “Alten Strohdachhaus“, in bescheidenen Verhältnissen. Da dessen Kleinräumigkeit den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr genügte, errichtete man schräg gegenüber ca. 1820 das dargestellte neue Gutshaus (heute: Dorfstraße 1) als zweigeschossigen Wohnbau. 1850 erfolgte dessen Sanierung, verbunden mit einer baulichen Erweiterung. Auftraggeber und erster Gutsherr, der mit seiner Familie (neun Kinder) das vergrößerte Herrenhaus bewohnte, war Georg v. Lepel (1815-1874). Den Umbau hatte er veranlasst, um mit seinen zahlreichen Söhnen und Töchtern standesgemäß leben zu können.
Zu Brunos Zeiten, der wegen seiner beruflichen Verpflichtungen außerhalb Vorpommerns gar nicht auf dem Gnitz lebte, wohnte in dem Gebäude der jeweilige Gutsinspektor. Zwei Jahre nach Brunos Tod zog Emil, der den Gnitz käuflich erworben hatte, mit seiner Frau und seinen vier Kindern in das Gutshaus. Sein Sohn Franz Karl gab nach Übernahme des Betriebs Mitte der dreißiger Jahre – noch zu Lebzeiten seines Vaters- das Guts- und Wohnhaus auf und zog mit seiner Ehefrau in das nahe gelegene „Wirtschafterhaus“. Dieses ist in der DDR-Zeit nach einem größeren Brand in den sechziger Jahren eingerissen worden.
Das “Alte Herrenhaus“ wurde vermietet, fand dann aber recht bald Verwendung als Alterswohnsitz für Franz Karls Eltern. Auch nach Emils Tod im Jahre 1941 blieb seine Witwe bis zum Einmarsch der Sowjets dort wohnen.
Unmittelbar nach Ende des Krieges brachte man in dem Haus Flüchtlinge unter. Noch nach der Wende in der DDR lebten in den noch bewohnbaren Räumen des immer mehr verfallenen Gebäudes vier Familien. Das Erdgeschoß nutzte bis in die 1960- er Jahre ein Kindergarten. Später bekam dort die Ortsgemeindeverwaltung ihre Amtsräume.
Im September 2002 erwarb Claus- Christoph Ziegler, Landschaftsarchitekt aus Thüringen, das Gebäude von der Gemeinde. Es gelang ihm innerhalb von einem Jahr die denkmalrechtliche Genehmigung für die Sanierung zu erreichen. Die beispielhafte Wiederherstellung des Originalzustandes von 1850 erfolgte in etwa 50.000 Arbeitsstunden unter Beteiligung vieler Fachleute aus der Region. Das gesamte Fachwerk wurde instand gesetzt wobei man die historischen Baustoffe wieder verwendete. Bei der Finanzierung des Vorhabens konnte Ziegler auf europäische Fördermittel zurückgreifen. Im Juni 2005 wurde unter das wiederhergestellte Gutshaus in einer öffentlichen Veranstaltung feierlich eingeweiht. Heute beherbergt das Haus zehn sehr schöne, attraktive Ferienwohnungen.
Die Halbinsel Gnitz
Usedom und insbesondere die Halbinsel ’Gnitz’ wird als Stammheimat der Familie von Lepel seit Mitte des 13. Jahrhunderts genannt. Ihre Rittersitze waren Netzelkow und Lütow sowie das um etwa 1360 gegründete Neuendorf. über sechs Jahrhunderte war der ’Gnitz’ in Lepelschem Besitz und blieb es bis zum Jahr 1945. Die lange Tradition findet in Legenden und Sagen ihren Niederschlag und lässt sich an Spuren auf der Insel Usedom verfolgen. Einige Dorfkirchen sowie ihr Umfeld stehen in Beziehung zu den Lepels: Liepe, Morgenitz, Mellenthin, Koserow und Netzelkow.
Das Gutshaus Neuendorf
Das ’Gutshaus Neuendorf’ wurde um 1820 errichtet, nachdem das gegenüberliegende erste Gutshaus (Schilfdach- oder später Vorsteherhaus genannt) für seine Bewohner nicht mehr ausreichte. Anfang des 20. Jhd. wurde ein weiteres, drittes Gebäude errichtet, welches sich im südlichen Bereich des Dorfes in einem kleinen Park befand. Dieses fiel nach dem Krieg einem durch Fahrlässigkeit verursachten Brand zum Opfer.
Nach der Enteignung der Familie v. Lepel, in den 1950er Jahren, diente das Gutshaus verschiedenen Nutzungen: Friseur, Kindergarten, Gemeindeverwaltung, Wohnungen. In der Folge wurden eine Reihe von nutzungsbedingten Umbauten vorgenommen. Das Gutshaus ist ein Teil der ehemaligen Gutsanlage in Neuendorf, welche den ’Gnitz’ über einen langen Zeitraum geprägt hat. Die vorhandenen Strukturen der Anlage mit Stallungen, Scheunen, Gesindehäusern, Gärtnerei, dem Vorsteherhaus, sowie einer alten Brennerei bestimmen den ursprünglichen Charakter des Dorfes.

Eigentümer ist nun der Landschaftsarchitekt Claus- Christoph Ziegler, welcher das Guthaus im September 2002 erworben hat. Die denkmalgerechte Sanierung unter Einsatz von historischen und regionaltypischen Baustoffen wurde Anfang 2005 fertiggestellt. Das denkmalgeschützte Gutshaus prägt noch heute mit dem alten Baumbestand das Ortsbild.

Sanierung
Die Sanierungsplanung des denkmalgeschützten Gutshauses wurde in intensiver Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des LK Ostvorpommern und dem Landesamt für Denkmalpflege MV erarbeitet. Ziel war die Herausarbeitung und Erhaltung der ursprünglichen Gebäudestruktur- und Elemente.Die Arbeiten wurden durch Handwerksbetriebe mit herausragenden Erfahrungen in der Denkmalpflege durchgeführt. Insgesamt wurden etwa 2000m Eichen- und Fichtenfachwerk ausgetauscht. Bei der Ausmauerung der Gefache an den Außenwänden wurden die alten Mauerziegel wiederverwendet. Im Innenbereich wurden alle Wände wieder mit Lehmziegeln, wie ursprünglich vorhanden, ausgemauert. Die innenliegende Wärmedämmschale der Außenwände ist in intensiver Handarbeit als Stampflehmwand entstanden. Alle Wände und Decken im Gebäude sind wieder mit Lehmputz versehen worden. Die Wärmeversorgung erfolgt durch einen Holzvergaserofen. Im Salon des Gebäudes befindet sich ein Kaminofen, welcher bei Betrieb neben der Wärmestrahlung zusätzlich in das Heizungsnetz einspeist. Die Raumheizung des Gebäudes wurde in Form von Wandflächenheizungen in die Lehmputzebene eingebracht, so dass in dem Gebäude keinerlei Heiztechnik sichtbar ist. Die Dachdeckung erfolgte durch Bieberschwanz- Kronendeckung nach historischen Vorbild.Insgesamt wurden ausschließlich ortsbild- und regionaltypische Baustoffe eingesetzt, welche unserem Anspruch nach konsequent ökologischen Materialien entsprechen.
Der Erdgeschossbereich ist barrierefrei und behindertenfreundlich ausgeführt sowie eingerichtet worden.

Während der 2-jährigen Sanierungsphase unterstützten zahlreiche helfende Hände die Umbaumaßnahmen.

Auch zur Schalldämmung verwendete der Bauherr ausschließlich ökologische Baustoffe (Hanf).

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